Für Elena und Luisa - die beiden süßesten Nichten, die es gibt. Die folgende Geschichte wird Stück für Stück ein bisschen weitergeschrieben und ist allein ihrer Phantasie zu
verdanken.
Viele große und kleine Menschen wissen, dass in jeder Wiese eine eigene kleine Welt steckt – vielleicht sogar ein kleines Universum. Würde es eine riesengroße Lupe geben, durch die man eine ganze Wiese auf einmal betrachten könnte, würde es aussehen wie ein Bild aus einem Wimmelbuch.
Da sind zum Beispiel die Ameisen, die ausgerüstet mit Helmen und Rucksäcken unentwegt im Gleichschritt vor sich hin marschieren und dabei singen: „In der Reihe liegt die Kraft, zusamm´ ist Arbeit schnell geschafft!“
Viel mühseliger hingegen ackern sich die Regenwürmer durch die Bodenschicht, genauso wie die Maulwürfe, die trotz der dicken Brillen immer noch nicht gut gucken können und auch irgendwie einen ganz schlechten Orientierungssinn haben. Dazwischen huschen Feldmäuse und Kaninchen schlagen übermütig ihre Haken.
Und wenn man ganz, ganz leise ist, kann man sogar das Murmeln des Tausendfüßlers hören: „Rechts, links, rechts, links ...“. Dabei bewegen sich all seine Beine so, als würde eine Reihe Dominosteine umkippen. Es ist äußerst wichtig, dass er dabei nicht aus dem Takt kommt, denn das ist ihm schon mal passiert und mit so vielen Beinen zu stolpern, ist einfach furchtbar unangenehm. Deswegen blickt er auch den joggenden Laufkäfern immer ein wenig neidisch hinterher, die in ihrer schwarzen Sportkleidung so schick aussehen.
Mittendrin kriechen gemächlich die Schnecken umher, ganz nach ihrem Motto: „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Das Motto könnten die Marienkäfer ruhig übernehmen, dann würden sie vielleicht nicht immer so traurig gucken. Das könnte daran liegen, dass sie einfach nicht gut vorwärtskommen. Sobald ein Hindernis vor ihnen auftaucht, biegen sie wie ein Roboter und ein bisschen planlos einfach nach links oder rechts ab und umrunden das, was im Weg liegt, wodurch natürlich jeder Weg deutlich länger wird.
Durch die große Lupe könnte man außerdem die Häkelnadeln der Spinnen erkennen, die sie nur sehr ungern aus der Hand legen; außer sie haben gerade Lust aufs Knüpfen. Sie verzieren die Pflanzen nämlich gern mit ihren selbstgemachten Makramees. Die ganzen Stängel und Blätter, die von den Raupen angeknabbert wurden, sehen dann auch gleich wieder viel hübscher aus, besonders, wenn es geregnet hat oder früh morgens taut und vom Wasser ganz viele, kleine Glitzerperlen im Wiesen-Makramee hängen bleiben.
Und dann gibt es noch die Tiere, die durch die Luft sausen. Manchmal hinterlassen die Wespen weiße Kondensstreifen über der Wiese. Die Bienen und Hummeln sind immer mit Lätzchen und Strohhalm ausgerüstet, weil das Saugen des Nektars eine klebrige Angelegenheit ist.
Bei all dem Gewusel darf die Musik nicht fehlen – und für die sorgen die Grillen mit ihren Streichinstrumenten. Die Frösche wollen dazu immer gern singen, aber das können sie leider so gar nicht. Die Zikaden sagen ihnen oft, dass sie doch mal Gesangsunterricht nehmen sollten, aber das möchten die Frösche nicht. Sie halten sich für Naturtalente.
Natürlich gibt es noch so viel mehr Tiere in der Wiesen-Welt: Nattern und Asseln, Wanzen und Wiesel und noch so viel mehr.
All das wissen die meisten großen und kleinen Menschen. Was aber nur ganz besondere Menschen wissen ist, dass es da noch andere kleine Lebewesen gibt, die in dem Gewimmel zwischen den Gräsern leben. Wie die Heuschrecke arbeiten sie sich von Halm zu Halm vor. Nur während die Heuschrecke mit ihrem Schweißband um den Kopf immer auf Sprungrekorde bedacht ist, sind die unbekannten kleinen Wesen viel entspannter. Ganz lässig schwingen sie sich von einem Gras zum nächsten und deswegen heißen sie auch Schwingelinge.
Schwingelinge haben unterschiedlich lange Arme: einen kurzen zum Festhalten und einen langen zum Schwingen. Der lange Arm ist besonders praktisch: Wenn abends eine Schwingeling-Familie im Bett kuschelt, kann der Papa einfach alle zusammen in den Arm nehmen – die Mama und die ganzen Kinder (Schwingelinge haben meistens sehr viele Kinder). Und wenn die Mama kocht und ein Schwingeling-Kind macht im Hintergrund Blödsinn, kann sie mit dem kurzen Arm in Ruhe weiter Kochen und mit dem langen Arm das Kind vom Blödsinn abhalten. Sie kann auch gleich mehrere ihrer Kinder zum Trösten oder Kuscheln auf einmal auf den Arm nehmen.
Schwingelinge müssen auch nicht oft aufstehen, wenn sie es sich gerade gemütlich gemacht haben und feststellen, dass sie etwas vergessen haben. Sie kommen trotzdem fast überall noch an.
Nur in der Schule, da müssen die Kinder aufpassen sich mit dem richtigen Arm zu melden. Meistens melden sich nämlich natürlich alle mit dem langen Arm, aber wer aus Versehen den kurzen nimmt, kommt dann eben nicht dran.