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Die Schwingelinge - 3.

 Ganz in deiner Nähe gibt es eine kleine Stadt und an deren Stadtrand liegt eine neugebaute Wohnsiedlung. Dahinter befinden Felder, Acker und kleine Wälder. Und hier, am Rande dieser Wohnsiedlung lebt Lio mit seinen Eltern und seinen elf Geschwistern.

Bei den Schwingelingen ist es so, dass mal der Papa arbeiten geht und die Mama sich zu Hause um die Kinder kümmert und am nächsten Tag ist es andersrum, immer abwechselnd. Natürlich gehen Schwingelinge nicht richtig zur Arbeit, in ein Büro oder so. Ihre Arbeit besteht darin, den anderen Wiesen-Tieren zu helfen und diese bedanken sich bei den Schwingelingen dafür, mit Dingen, die sie gut gebrauchen können. Wenn sie zum Beispiel den Spinnen beim Stricken geholfen haben, bekommen sie etwas von der Wolle ab, von den Bienen und Hummeln bekommen sie Sirup und von den Zikaden und Grillen ein heimliches Gratis-Konzert – heimlich deswegen, damit die Frösche davon nichts mitbekommen.

 

Heute ist Lio´s Papa mit Arbeiten dran; er will den Ameisen beim Bau eines neuen Hügels helfen.

„Papa, Papa, warte noch!“, ruft Lio und läuft ihm schnell zur Höhlentür nach. „Denk dran, was du mir versprochen hast.“ „Oh, habe ich dir was versprochen? Ich kann mich gar nicht erinnern. Lass mich mal überlegen …. „, neckt der Papa seinen Sohn. „Ach Papa, das weißt du genau. Du willst mir heute zeigen, wie man mit der Pusteblume fliegt“, antwortet Lio, „gleich nach der Arbeit“, setzt er sicherheitshalber noch einmal nach.

„Aber natürlich Lio. Versprochen ist versprochen“, sagt Papa und streicht Lio liebevoll über den Kopf. Gerade will er zur Tür hinaus, als die Erde mit einem Mal unheimlich zu zittern beginnt. Erst nur ein bisschen, dann immer stärker. Die Wände beginnen zu vibrieren; es rumpelt und poltert und aus der Decke lösen sich kleine Holzstückchen. In der Wand neben der Tür bildet sich ein Riss und in den Küchenschränken klirrt das Geschirr. Mit dem langen Arm hält Lios Mama alle Küchenschränke auf einmal zu. Little Blue, Lios jüngstes Geschwisterchen, sitzt auf dem Boden im Wohnzimmer und beginnt zu weinen. Da nimmt Papa das Baby schnell auf den Arm. Als er sich wieder der Tür zuwendet, hat das Beben ebenso plötzlich aufgehört, wie es gekommen ist. Dafür befindet sich nun ein großer Berg aus Erde direkt vor der Höhle der Schwingeling-Familie. Von der Spitze rollen ein paar Erdbrocken direkt vor Lio´s Füße. Der Himmel verdunkelt sich.

Von oben ertönt eine Stimme: „Bin ich hier richtig? Ist hier der Optiker Schielmann?“

„Nein, Edgar,“ stöhnt Lio´s Vater, „du bist wieder falsch abgebogen. Am Ende der Wiese musst du nach rechts, nicht nach links. Letzte Woche hast du dich doch auch schon hierher vergraben.“

„Ach wirklich? Ich bin mir ganz sicher, dass ich neulich auch rechts abgebogen bin. Ich bin zwischendurch immer wieder nach oben gekommen, um mich zu vergewissern,“ antwortet Edgar, der Maulwurf.

Schweigend deutet Lio´s Vater auf einen anderen großen Hügel – mitten im Garten.

Angestrengt blinzelt Edgar in die Richtung, die ihm angezeigt wird.

 „Oh! Das tut mir aber Leid, wirklich äußerst Leid. Ich wollte auch gerade meine Brille reparieren lassen“, erklärte Edgar entschuldigend, „kommt nicht wieder vor!“, versprach er noch und ist auch schon wieder verschwunden.

 

Papa drückt Mama Little Blue auf den Arm. „Kinder, kommt alle mit anpacken! Der Weg muss wieder freigeräumt werden.“

„Och man, muss das sein?“, „Kann das nicht warten?“, „Wir spielen eben noch zu Ende!“, erntet der Papa von zehn kleinen, blauen Wesen. Auch Lio hat nicht so wirklich große Lust. „Da kommt man aber noch dran vorbei. Das können wir doch später machen.“ Denn Lio ist mit seinen Freunden verabredet. Er muss ihnen unbedingt erzählen, dass er heute noch lernt, wie man an einer Pusteblume fliegt und außerdem haben sie gestern beim Spielen eine frische Bananenschale gefunden und wollen heute daraus eine super lange Rutsche bauen. Aber Papa lässt sich nicht umstimmen. „Nein, das machen wir sofort. Außerdem können wir nachher nicht zusammen fliegen gehen, wenn wir das auf später verschieben.“ Das ist natürlich ein Argument.

„Los Leute, alle mit anpacken,“ ruft Lio seinen Geschwistern zu. Papa verkneift sich ein Grinsen. Es ist schon wirklich viel Arbeit mit einer kleinen Schwingeling-Schaufel den riesigen Berg eines Maulwurfs wegzuschaufeln, das muss man sagen. Aber weil alle mithelfen – außer Little Blue natürlich, der ist noch zu klein – und auch ein paar Nachbarn zu Hilfe kommen, dauert es doch nur den halben Tag.

 

Danach geht Papa nur mal kurz bei den Ameisen vorbei, um zu schauen, ob sie noch Hilfe brauchen und er sie bei der Arbeit ihres neuen Hügels unterstützen kann. Denn auf den Pusteblumenflug freut er sich ja eigentlich auch schon und außerdem: versprochen ist versprochen.

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Kommentare: 1
  • #1

    Anna (Sonntag, 19 April 2020 00:13)

    Ach schööön! Ich freue mich auf mehr! :-)