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Log(down)-Tagebuch: Tag 83

oder: Die Liebe in Zeiten des Corona

 

Lockerungen: ganz viele

bisher unternommene Ausflüge: 3

(außerhalb des eigenen Ortes!)

soziale Kontakte mit Abstand: 2

Kinder in wieder in Schule: 1

Menschen mit Weltschmerz: auch ganz viele

 

 

Die Welt ist gegen die Wand gefahren. Frontal und mit Vollgas und das wahrzunehmen ist schmerzhaft. Zur alltäglichen Erziehung kleiner achtjähriger Mädchen gehören Sätzen wie: „Ich hebe jetzt meine Hände. Ich habe keine Waffe bei mir.“ Menschen demonstrieren gegen Hygiene-Maßnahmen. Konzerne schütten Dividenden aus, kassieren nebenher vom Staat, während andere um den Lebensunterhalt kämpfen. Über Klima- und Plastikprobleme wird kaum mehr gesprochen, vielleicht weil vieles andere schon so sprachlos macht oder aber auch, weil der Mensch nur eine gewisse Menge an Problemen angehen kann. Und der mächtigste Mann der Welt ist zugleich wohl auch der intellektuell beschränkteste – was eine äußerst bedenkliche Kombination darstellt.

 

Absurderweise ist diese Zeit hierzulande von der Begrifflichkeit „neue Normalität“ geprägt. Aber in Wahrheit ist kaum noch etwas normal. Vielleicht möchten wir das nur gern glauben oder einer Sache den entsprechenden Anstrich verleihen. Selbst unser kleiner Alltag in diesem aus den Fugen geratenen Großen und Ganzen ist nicht mehr normal. Immer wieder den Reflex zu unterdrücken seine Angehörige oder Freunde zu umarmen – nicht normal. Die Kinder in einer Zeit von Social Distancing aufwachsen zu sehen oder sie stets ans Abstandhalten zu erinnern – nicht normal. Umfangreiche Regelwerke für nahezu jedes Gebäude, welche Tür zu nehmen ist, in welche Richtung man zu gehen hat – nicht normal.

 

Aber weil der Mensch auch klug und fortschrittlich ist, startete kürzlich der SpaceX-Flug ins All und ich dachte mir, dass die Menschheit von dort oben bestimmt auch wie so eine wirre Ansammlung aus kleinen Punkten aussehen mag. Nur mit dem Unterschied, dass sie eben doch keine Glanzleistungen vollbringt.

 

Alles keine sehr erhebenden Gedanken, oder? Deswegen bin ich dankbar dafür, an etwas Größeres zu glauben. Etwas, das alles wieder in Ordnung bringt. Manche Menschen bezeichnen so einen Glauben als Krücke. Aber so ist es nicht. Eine Krücke hilft einem Verletzten sich mehr oder weniger vorwärts zu schleppen. Aber der Glaube hingegen richtet auf und er wirkt sich auf das Handeln aus.

Vor ein paar Tagen las ich in einem Buch eine Aussage, die mich sehr angesprochen hat: „Sobald ein Mensch weiß, warum er hier ist, warum er existiert, welchen Grund es dafür gibt, dass er am Leben ist, wird er den Wunsch haben, dem Sinn und Zweck seiner Existenz gerecht zu werden. Es ist so, als erkenne man auf einer Karte, wo ein Schatz versteckt ist. Sobald man die Markierung entdeckt hat, fällt es schwer sie zu ignorieren und nicht nach dem Schatz zu suchen."

Glauben ist keine Krücke, er ist ein Schatz. Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn jeder Mensch auf der Welt Glauben hätte, sein Handeln davon leiten lassen würde und dem Sinn seiner Existenz gerecht werden wolle. Wie es denn wohl wäre?

Normal.

 

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